Wahrscheinlich hat jeder süchtige Mensch es. Diese eine Geschichte. Diese eine Rechtfertigung. Der Grund, warum man sich das alles antut. Warum man konsumiert. Warum man nicht aufhört. Es ist wie ein inneres Alibi – verschlossen in Schmerz, Wut, Trauer oder Scham. Und ich wusste: Ohne mein Thema zu klären, kann ich keinen Schritt weitergehen. Also fasste ich all meinen Mut zusammen. Und klärte es im Ansatz. Für mich. Und das Leben stand – zum ersten Mal fühlbar – auf meiner Seite. Ich konnte das, was mich innerlich zerfressen hatte, zur Sprache bringen. Und es ließ mich nicht allein zurück.

Erst dann, erst nach dieser Klärung, konnte ich anfangen, zu planen. Einen Drei-Monats-Plan. Kein Heilungsweg. Kein klinisches Programm. Sondern eine Deadline. Tag Null. In drei Monaten. Der Anfang meines neuen Lebens. Ich lebte auf ihn hin, wie ein Wanderer auf den Rand eines Abgrunds zu. Jeden Tag ein kleines Stück mehr. Ich gewöhnte mich an den Gedanken, dass dieser Tag kommen würde. Und dass er alles verändern müsste. Denn an diesem Tag würde mein Körper nichts mehr bekommen. Keine Droge. Kein Gift. Kein Trost.

Ich wusste: Er wird schreien. Der Körper. Der Verstand. Die Gewohnheit. Ein Loch würde sich auftun. Tief. Schwarz. Schmerzhaft. Die tägliche Freude – die tägliche Selbstvergiftung – würde fehlen. Aber ich wollte nicht weglaufen. Und deshalb begann ich, mich zu dokumentieren. Ich nahm mich auf – mit der Kamera meines Handys, Nacht für Nacht. Mein Videotagebuch wurde mein Spiegel. Ich sah mich, wie ich lallte. Wie ich mich mit Floskeln motivieren wollte. Wie Aggressionen hochkochten, unkontrolliert, schmerzhaft ehrlich. Und ich erschrak. Nicht vor der Kamera. Sondern vor mir selbst.

Aber gerade das – dieser Blick in mein wahres Gesicht – half mir. Denn ich wusste: An meinem Tag Null würde ich nicht kneifen. Nicht mehr. Ich war mir selbst begegnet. Und ich wollte mich nicht mehr verlieren.