Suchtdruck IV/XV
Dann kam die Eskalation. Weitere Drogen traten als synthetische Versprechen in mein Leben. Und ich verzehrte mich weniger nach Rausch oder Höhe als nach einem Vergessen, das sich durch meinen Alltag ziehen sollte. Alkohol, Zigaretten, Dope – sie waren längst mein Normal. Und darüber hinaus: die Wochenenden. Die Sauftouren. Die Selbstinszenierung. Die Zerstörung.
Die Abende wurden zu Schlachtfeldern. Gegenstände flogen. Türen splitterten. Ich wurde verhaftet. Ich erhielt Anzeigen. Und ich verletzte mich – aus einem tiefen, blinden Hass mir selbst gegenüber. Ich schlug mit den Fäusten auf das Leben ein, auf Mauern, Spiegel, meine Geschichte. Knochen brachen. Haut platzte. Blaue Flecken wurden zur täglichen Uniform. Ich spürte meinen Körper – aber nur dann, wenn er schrie. Wenn er sich meldete durch Husten, durch Leberschmerzen, Blut im Erbrochenen, durch pochende Migräne. Ich war ein schmerzendes Wesen. Und doch: mit sechs Bier verschwand alles. Es löste sich auf. Und ich konnte wieder. Noch einmal. Noch einen Ausbruch. Noch ein Absturz. Noch ein Lied im Dunkel.
Ich nannte es den Teufelskreis. Er drehte sich, immer weiter, schneller, lauter. Und der Gedanke, auszusteigen – vollkommen auszusteigen, in die Nüchternheit, in die Klarheit, in das Ungetahnte – jagte mir eine unbeschreibliche Angst ein. Es war, als würde man mir das letzte Licht nehmen. Oder besser: den Schleier vor dem Spiegel, hinter dem ich mich längst nicht mehr sehen konnte. Nüchternheit war für mich das Fremdeste, das Unvorstellbarste.

„Suchtdruck IV/XV“
Handgeschöpftes Büttenpapier 21,5 x 21,5 cm,
Bleistift, Tusche-Fineliner, Aquarellstift, Blattgold