Suchtdruck II/XV

Und dann kam das Gras. Das Dope. Eine neue Welt öffnete sich. Während Alkohol mich laut machte, expressiv, beinahe kriegerisch, zog mich das Kiffen nach innen. Es war das Gegenstück zur Bühne: der Rückzug ins Innere, weich, wohlig, vertraut. Ich nannte es das Gefühl der Schmetterlinge im Bauch, ein heimliches Verliebtsein in mich selbst. Danach folgte das Essen, das Lachen, das Liegen auf dem Boden, das sich Kugeln vor Glück, das Weinen unter Lachanfällen. Zwei Welten, beide verführerisch, beide trügerisch – die eine extrovertiert, laut, gefährlich; die andere introvertiert, still, süßlich betäubend.

Und so verfestigte sich mein Tagesablauf. Nach der Schule das Bier. Danach der Joint. Am Wochenende: Party. Es wurde zu einem wiederkehrenden Ritual. Und ich fragte mich: Warum verzichten? Warum sich selbst all das vorenthalten, was sich so gut anfühlte? Ich war jung und glaubte, man lebt nur einmal. Also lebte ich. Intensiv. Maßlos. Über die Jahre hinweg – siebzehn, achtzehn – kamen die ersten Diskotheken, und mit ihnen härtere Drinks. Ich war kein geübter Trinker. Ich trank, um mich zu verlieren. Um den Rausch zu jagen. Und meine Räusche hatten eine Eigenschaft, die sie besonders machten: Sie kippten. Und mit ihnen kippte auch ich.

Gerade wenn Schnaps hinzukam, öffnete sich ein Spalt – ich nannte ihn das Blackout. Ein dunkler Zwischenraum, eine Lücke im Ich. Ein Ort, an dem ich verschwand und ein anderer auftauchte: mein innerer Dämon. Ein Wesen in mir, das schrie, zerstörte, wütete. Ich war dann nicht mehr ich – oder ich war genau das, was ich im Alltag so sorgsam verborgen hielt. Oft wachte ich auf, ohne zu wissen, wie ich nach Hause gekommen war. Ich lag da, versuchte zu rekonstruieren, was geschehen war. Und danach: zwei Tage Regeneration. Schädel. Husten. Die erste Zigarette. Die erste Pfeife. Und wieder zurück in den Kreislauf.

„Suchtdruck II/XV“
Handgeschöpftes Büttenpapier 21,5 x 21,5 cm,
Bleistift, Tusche-Fineliner, Aquarellstift, Blattgold