Suchtdruck XIII/XV

Schon bald begann sich mein Blick zu wenden – weg vom Außen, hin zum Innen. Dort, wo es viele Jahre lang dunkel gewesen war, von Nebel umhüllt, vom Rausch übertönt, von Stimmen zugedeckt. Und was ich so lange verdrängt hatte, zeigte sich nun in den ersten zaghaften Versuchen, still zu werden. Ich begann mit der Sitzmeditation. Und was ich dort fand, war nicht Licht. War nicht Ruhe. Sondern Wahnsinn.

Mein Verstand bellte mich an, schrie, warf mit Szenarien um sich. Er zerrte mich in jedes mögliche Unglück, in jeden Schatten, in jede Katastrophe, die niemals geschah – aber in mir lebte. Und ich ließ ihn reden. Ich reichte ihm die Hand. Ich sagte nicht mehr: Schweig! Ich sagte: Sprich. Und er sprach. Stundenlang. Tage. Wochen. Monate. In meinen täglichen Sitzungen, die oft eine Stunde andauerten, begann sich ein Brunnen in mir zu öffnen. Und aus ihm ließ ich alles heraussprudeln – ohne Zensur. Eine Reinigung, die schier keine Pause kannte. Und ich fragte mich oft: Warum dauert das so lange? Warum bin ich immer noch so leer, so müde, so träge?

Doch jetzt, viele Jahre später – fünfzehn sind es seit dem Beginn meiner Reise in die Klarheit – begreife ich: Was sich über Jahrzehnte aufgebaut hat, trägt sich auch nur langsam ab. Kein Schalter. Keine Wunderpille. Kein Guru. Nur ich. Und so saß ich weiter. Horchte. Schrieb. Atmete. Und ich erkannte: Die Leere, die ich einst fürchtete, war ein Spiegel. Sie zeigte mir, was ich verloren hatte.

Mit diesem neuen Bild, das sich mir offenbarte, begannen sich Beziehungen, Kontakte, Verbindungen zu entfremden. Ich hatte mich zurückgezogen in meine persönliche Einsamkeit. Doch ich war gegangen, weil ich so viel fühlen musste, dass die Welt da draußen – mit ihren Masken, ihrem Lärm, ihrer Geschwindigkeit – mir nicht mehr entsprach.

„Suchtdruck XIII/XV“
Handgeschöpftes Büttenpapier 21,5 x 21,5 cm,
Bleistift, Tusche-Fineliner, Aquarellstift, Blattgold