Krieger der Einheit II/V

Denn jeder König war anders.

Einmal kämpfte er für das Licht.
Ein König, überzeugt davon, dass das Helle den Schatten übertrumpfen müsse – dass der Schatten bis in seinen letzten Winkel ausgerottet werden solle.

Und so wurde er zum Anführer der Lichtkrieger.
Er zog mit ihnen aus – im Namen der Reinheit, der Wahrheit, der Gerechtigkeit.

Und als sie ihr Ziel fast erreicht hatten – als der Schatten schon flackerte und wich – kam es zum Stillstand.

Jahre vergingen.
Die Schattenkrieger formierten sich neu.
Und sie schlugen zurück.

Das Licht geriet in Bedrängnis, in den Rückzug.

Und so geschah, was unvorstellbar war:
Der Krieger diente bald darauf dem Schatten.
Ein anderer König.
Ein anderes Reich.
Ein anderes Ziel.

Licht und Schatten –
Schatten und Licht –

Er diente beiden.
Ohne zu zögern.
Ohne zu fragen.

Ob König oder Königin – es war relativ.
Ob Licht oder Dunkel – austauschbar.

Und so ging es hin und her, über Jahrzehnte, über Jahrhunderte.
Er überlebte sie alle.
Die Könige.
Die Kriege.
Die Fronten.

Seine Wunden heilten schnell.
Seine Kraft wuchs.
Und mit ihr die Wildheit seines Schwertes.

Er liebte seine Waffe, pflegte sie jeden Tag.
Seine Klinge wurde schärfer –
doch sein Verstand wurde klarer.

Und dann, eines Morgens, wie aus dem Nichts –
spürte er es:

Ein leises, warmes Pochen.
Sein Herz.

Etwas regte sich in ihm, was lange verstummt war.
Ein Gefühl.
Eine Stimme.

„Wem dienst du wirklich?“

Diese Frage traf ihn wie ein Pfeil.
Denn er wusste es nicht.

Mal dem Licht.
Mal dem Schatten.
Mal hier, mal dort.

Immer gehorsam.
Immer bereit.

Doch plötzlich genügte das nicht mehr.

Mit dieser Frage –
und seinem geschärften Verstand –
begann sich etwas in ihm zu drehen.

Er kreiste um sich selbst.
Verlor sich in Gedanken.
Fand keine Antwort.

Jeder Auftrag ließ ihn ein Stück mehr an Sinn verlieren.
Wer war er – jenseits der Rüstung?
Jenseits der Befehle?

Ja – ein Krieger.
Aber wozu?
Warum?

Wohin führte all das?

So wurde er zum Beobachter.
Nicht nur seiner selbst,
sondern auch des Schauspiels, das man Krieg nannte.

Er sah die Züge, das Schlachten, das Sterben –
doch seine Leidenschaft war erloschen.

Er kämpfte nicht mehr aus Überzeugung,
sondern aus Gewohnheit.

Und irgendwann …
zog er sich zurück.

Tief.
Tiefer als je zuvor.
In die Stille.
In die Isolation.

Nicht um zu entfliehen –
sondern um zu erinnern.

„Krieger der Einheit II/V“
Handgeschöpftes Büttenpapier 21,5 x 21,5 cm,
Bleistift, Tusche-Fineliner, Aquarellstift, Blattgold