In Harmonie mit der Absicht
Nun ist es also soweit, der Tag den ich seit Jahren herbeisehne. Es fühlt sich anders an. Mein Blick schweift durch den Raum, ich schlüpfe in meine Schlappen und folge dem Ruf meines Meisters. Mit leichter Aufregung stehe ich vor seiner Tür. Ich klopfe. Er bittet mich herein und spricht: „Mein liebster Samten Tse, komm herein und nimm Platz.“
Der Blick des Meisters, wie ich ihn kenne, ist verschwunden. In seinem Gesicht lese ich weder Lob noch Tadel, stattdessen blicke ich in die Augen eines Freundes. Eines langjährigen Gefährten, der Abschied nehmen will. Ich nehme vor ihm auf dem Boden Platz. Er sagt: „Du wirst heute Nacht das Kloster verlassen!“. Und da waren sie, die sieben goldenen Worte. Ich verneige mich tief, greife nach seiner Hand und drückte sie gegen meine Stirn. Liebe durchströmt meinen Körper und erfüllt den Raum. Ein paar Minuten vergehen und ich verabschiede mich von ganzem Herzen und gehe zurück auf mein Zimmer.
Ich räume meine paar Habseligkeiten zusammen, lege Feuerholz nach und fege den Raum in dem ich gelebt, geschrieben und meditiert habe. Ein letztes mal blicke ich aus dem Fenster, zu den Bergspitzen meiner geliebten Heimat Tibet. Im Lotussitz versinke ich in tiefe Meditation. Mein Verstand frägt sicherheitshalber noch einmal nach „Ist jetzt der richtige Zeitpunkt zum Sterben?“. Daraufhin antwortet mein Herz: „Ist nicht immer der richtige Zeitpunkt zum Sterben!?“ Gegen Morgengrauen verlaße ich mit einem letzten Herzschlag meinen Körper und folge dem Licht meiner Ahnen.
In Harmonie mit der Absicht
Handgeschöpftes Büttenpapier 21,5 x 21,5 cm,
Bleistift, Tusche-Fineliner, Aquarellstift, Acrylfarbe, Wasserlack Gold, Smaragd Edelsteine