Gefangen im Wandel
Das warme, dichte Licht durchflutet meinen Körper, bahnt sich wie Wasser seinen Weg in jede Zelle und erfüllt mich mit leuchtender Kraft. Wie ein Wächter auf einem Leuchtturm stehe ich auf der Spitze meiner verlorenen Insel und sehe, wie Stück für Stück Land unter einem Mantel stiller Erhabenheit verschwindet. Kein Signal, kein Schiff, keine Rettung – nur ich und die bohrende Frage: Hat die Krähe mich getäuscht?
Teilchen stürmen durch mich hindurch, reißen alles mit sich. Schmerz durchzuckt meinen Körper, während Wurzeln meine Füße durchbohren und tief in die Erde greifen. „Arschlochrabe, du verfickter Höllensohn! Was … was passiert mit mir?“ Ich schreie durch den Schmerz, und da ist sie, als hätte ich sie heraufbeschworen. „Du verlässt deinen Käfig, die Komfortzone, wie ihr Menschen sie liebevoll nennt.“ Ihre Worte schneiden wie ein Messer. „Dann bring mich sofort dorthin zurück!“, knirsche ich, die Zähne zusammengebissen. „Oder ich reiße dir jede Feder einzeln aus!“
Die Krähe krächzt nur. „Es gibt keinen Weg zurück, David. Bald wirst du verstehen, dass das dein Leben ist. Jede meiner Federn ist eines deiner Abenteuer. Viel Glück!“ Und ihre Stimme verstummt. Das Licht drängt weiter, zwingt mich zu wachsen, zu brechen, bis mir kaum noch Luft bleibt. Das letzte Mal, dass mir so etwas passiert ist, war vor 30 Jahren mit meiner Mutter im Franziskus-Hospital. Ich quetsche mich, nach Luft ringend, durch den engen, dunklen Tunnel, doch anstelle einer helfenden Hand und der Welt sehe ich nichts als meine eigene Körpermasse und zerberstende Wände.
Doch was ist das? Ein frischer Luftzug streift meinen feuchten Rücken – keine Schmerzen. Ich fange ihn mit der Nase ein; Krankheit riecht nach ersten Blüten. Vorsichtig öffne ich die Augen und ahne zum ersten Mal, wovon die Krähe sprach. Ich bin am Leben.
Gefangen im Wandel
Handgeschöpftes Büttenpapier 21,5 x 21,5 cm,
Bleistift, Tusche-Fineliner, Aquarellstift, Blattgold