Der Magische Spiegel

Im Königreich Elarions erstrahlt die Selbstliebe, im Schattenreich Lilithras die bedingungslose Liebe. Einst verband ein magischer Spiegel die beiden Reiche – ein würfelförmiges Artefakt von unbegreiflicher Schönheit und Macht. In der Welt des Lichts war er tiefschwarz wie die Nacht, in der Welt der Schatten leuchtete er kristallweiß. Doch der Spiegel war mehr als nur ein Tor; er spiegelte das wahre Wesen des jeweils anderen Reiches wider und bewahrte den Fluss reiner Liebe, der das kosmische Gleichgewicht schützte.

Der jeweils andere ist ein Spiegel unserer selbst. Es ist ein Gesetz, dass alles, was wir im anderen zu sehen meinen, uns selbst betrifft. Doch diese Wahrheit geriet in Vergessenheit, als Elarion sich in der blendenden Illusion seines eigenen Spiegelbildes verlor. Er erkannte nicht mehr Lilithras’ Tiefe – sein tiefes Bedürfnis, die Schatten seiner selbst in bedingungsloser Liebe zu erkennen und zu klären. Stattdessen fixierte er sich auf das verzerrte Abbild seiner eigenen Sehnsucht. Diese Sehnsucht wurde von den fünf Stimmen der Macht genährt – seinen Beratern, die fortan die fünf Säulen seiner aufkeimenden, egozentrierten Herrschaft bildeten.

Ein trüber Schleier legte sich über seine Augen und die Oberfläche des Spiegels. Sein Selbst nährte sich nur noch von seinem männlichen Anteil – dem Glanz vergangener Tage, dem Stolz, der einst seine königliche Präsenz ausmachte. Je mehr er sich in seiner Selbstliebe verlor, desto weiter entfernte er sich von Lilithra, der Quelle seiner Vollkommenheit und dem Schlüssel zu seiner Würde.

So verdunkelte sich der magische Spiegel, und mit der schwindenden Liebe zerbrach auch der heilige Bund zwischen Licht und Schatten.

Der Magische Spiegel
Handgeschöpftes Büttenpapier 21,5 x 21,5 cm,
Bleistift, Tusche-Fineliner, Aquarellstift, Blattgold